Stägmattsteg – Acht Frauen wollen eine Brücke

Stägmattsteg – Acht Frauen wollen eine Brücke

Ort: Der Stägmattsteg führt als Fuss- und Velosteg von der Stägmatt in Hinterkappelen (Gemeinde Wohlen bei Bern) über die Aare zur Eymatt (Gemeinde Bern) und ins Naherholungsgebiet Bremgartenwald. Ein Veloweg führt weiter durch den Wald bis in die Länggasse, dem Universitätsquartier von Bern. Der nächstgelegene Übergang über die Aare wäre die Kappelenbrücke, etwa 100 Meter flussabwärts: eine vielbefahrene Autobrücke, für erwachsene Velofahrende eher ungemütlich, für velofahrende Kinder sogar gefährlich. Ausserdem wäre dies ein Umweg für Velofahrende aus dem Osten Hinterkappelens, der Aumatt und Schlossmatt, die vorwiegend zum Pendeln unterwegs nach Bern sind.

Details: Der Stägmattsteg ist eine ca. 100 Meter lange Fuss- und Velobrücke. Die Idee dafür konkretisierte sich im Jahr 1994. Eröffnet wurde der Steg im Jahr 1999. Gekostet hat er rund 1.2 Millionen Franken. Er wurde von der Gemeinde Wohlen, der Stadt Bern und vom Kanton Bern finanziert.

Entstehungsgeschichte: Die Idee einer Langsamverkehrsbrücke über die Aare schwirrte schon seit längerer Zeit in den Köpfen der Anwohnenden herum. Die Kosten waren der Gemeinde Wohlen bei Bern (dazu gehört auch Hinterkappelen) allerdings zu hoch. Es war eine Gruppe von acht Frauen, die schliesslich dafür sorgte, dass der Bau doch realisiert wurde. Anne T. war eine von ihnen, sie erinnert sich:

«Wir waren acht engagierte, initiative Frauen. Einige von uns waren Familienfrauen mit kleinen Kindern, andere waren berufstätig. Ein paar kamen aus der Aumatt, einige aus dem Dorf Hinterkappelen und wieder andere auch aus der oberen Gemeinde.

Wir wollten diese Brücke. Nicht zuletzt wegen der Kinder. Die Kappelenbrücke mit dem vielen Verkehr und dem hohen Trottoir war uns allen zu gefährlich. Im März 1994, ziemlich spät eigentlich, kam die Idee auf, unten an der Aare eine Beiz zu betreiben, um Geld für eine Brücke zu sammeln.

Wir erstellten ein Konzept und suchten von Anfang an Unterstützung in der Gemeinde und bei den Politikern. Die bekamen wir auch. Die Personen, die uns ganz am Anfang unterstützt haben, die waren wirklich mutig.

Auf der Wiese, neben der später die Brücke stehen sollte, wollten wir am Aareufer ein Restaurant eröffnen, in dem die Leute selber kochen können – die Stägmattbeiz. Eine Gruppe würde sich für einen Abend einschreiben und alle Gäste bekochen. Aus dem Erlös würden dann die Unkosten bezahlt: die Auslagen für das Essen, die verschiedenen Mieten, die Einkäufe, die Fixkosten. Und der Gewinn würde in den Topf für die Brücke gehen. Alle Arbeit, das Kochen, das Servieren, das Aufräumen, sollte ehrenamtlich sein.

Wir bekamen viel Unterstützung. Eine Versicherung half mit, das Ganze zu sponsern. Auch die lokalen Unternehmer waren von der Partie: Container wurden uns zur Verfügung gestellt, um darin abzuwaschen oder zu backen. Einen Containerkiosk gab es, wo Glacen und Getränke verkauft wurden. Dann stellten wir auf einer Holzplattform ein grosses Zelt auf (gratis zur Verfügung gestellt), um bei schlechtem Wetter auch gedeckte Sitzplätze anbieten zu können. Einen Container mit Kühlschränken für die Küche und den Abwasch etc. Der Goodwill war ausserordentlich, der Wunsch nach einer Brücke breit abgestützt.

Im Juni 1994 eröffneten wir die Stägmattbeiz mit einem grossen Fest, und von da an wurde die Beiz zu einem Hinterkappeler Treffpunkt. Auf der Holzplattform stand das Zelt, auf der Matte standen Tische und unten an der Aare waren die lauschigsten Sitzplätze direkt am Wasser.

Mittwoch bis Sonntag war die Beiz jeweils offen. Viele kochten in diesem Restaurant: die Alternativen und die Konservativen, die Jungen und die Alten, die Kirche, die Parteien, der Jugendtreff und der Seniorenclub. Es gab Feste, Konzerte, Taufen, Wasserspiele, Predigten und Politanlässe. Es gab Rösti mit Salat, Grillwürste, Spanferkel, Crèpes, Spaghetti und Risotto, Tsatziki und Saté-Spiesse, Fisch und Chips, und jeden Tag frische Cakes und Kuchen. Die Beiz war einen Sommer lang der Treffpunkt für die ganze Gemeinde. Der ganze Sommer ein einziges Fest. Alle waren beteiligt, die Zusammenarbeit funktionierte bestens. “Ein Steg baut Brücken” lautete das Motto, das auf dem Stägmattplakat stand und intensiv gelebt wurde.

Ende September gab es ein riesiges Abschlussfest. 125’000 Franken hatten wir erwirtschaften können. Wir stellten das Geld der Gemeinde zur Verfügung, jedoch an die Bedingung geknüpft, dass es innerhalb der nächsten drei Jahre für den Brückenbau eingesetzt werden müsse.»

Das Wichtigste, hält Anne T. abschliessend fest, sei der Rückhalt in der Bevölkerung gewesen. Nach dem Sommer 1994 hat es keinen Widerstand gegen die Brücke gegeben.

Comments

  • Thomas | Okt 18,2015

    […] Neben vielen stilvollen Brücken steht in Kopenhagen die spektakuläre Cykelslangen. Im Falle des Stägmattstegs war dafür eine ganze Menge Mut und Kreativität nötig. Mit der Gateshead Millennium Brücke […]

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